Dezember 28, 2020No Comments

Es lebe der konstruktive Streit.

Zusammenhänge verstehen.

Kurz vor Weihnachten hatte ich die Ehre und das Vergnügen, mit Wolf Lotter (Autor und Transformationsexperte) und Gerhard Wohland (Systemtheoretiker) ein Gespräch zum Thema "Zusammenhänge" zu führen. Das ist auch der Titel des aktuellen Buches von Herr Lotter.

Geworden ist's ein teilweise recht kontroverses Streitgespräch. Denn was ich ehrlich gesagt unterschätzt hatte waren die Unterschiede und Differenzen zwischen Lotter und Wohland - bei aller gegenseitigen Wertschätzung. Umso spannender hat sich das Gespräch entwickelt.

Streitgespräch Lotter - Wohland

Hier können Sie das gut 1-stündige Gespräch nachschauen. Aber Vorsicht: Sie müssen selbst denken - die beiden präsentieren einem die Erkenntnisse nicht auf dem Silbertablet 😜

Denk-Futter und Erkenntnisse

Wir haben die Gesprächssequenzen im Youtube-Video mit Kapiteln markiert. Einige Aspekte des Streitgesprächs, die zum Nach-Denken anregen:

  • Unterscheidungen, um Zusammenhänge zu verstehen
  • Wer ist "wir"? Was ist "die Welt"?
  • Wissen muss verstanden und erklärt werden können
  • Unterscheidung Interesse - Bedürfnis
  • Unterscheidung Argument - Gefühl
  • Unterscheidung Vorderbühne - Hinterbühne
  • Unterscheidung Inszenierung - Regie
  • Positive Diskriminierung
  • Unterscheidung Wissen - Können
  • Unterscheidung Daten - Information
  • humanistische Bildung

Resonanz und Feedback

Während der Live-Übertragung haben teilweise über 100 Menschen zugeschaut. Auch das Interesse auf Twitter und Youtube ware und ist rege.

Einige Rückmeldungen:

Die beiden Giganten haben sich vor allem in den ersten 30 Minuten ziemlich aneinander gerieben. 😂💥

Die kontroverse Diskussion ist nicht bei allen gut angekommen - bei den meisten aber schon 😅

Einigen Zuschauer/innen haben die Wohland'schen Unterscheidungen geholfen, um Zusammenhänge besser zu verstehen.

https://twitter.com/madiko/status/1341416538642010113

Fazit: Das Gespräch hat viel Spaß gemacht, die Notwendigkeit ausreichend scharfer und kontrastreicher Diskurse wieder mal verdeutlicht und animiert, selbständig weiter zu denken.

Dezember 5, 2020No Comments

Kompliziert vs. komplex: Eine Begriffsklärung von und mit Dr. Gerhard Wohland

Komplexität reduzieren?

Neulich hat Dagmar Terbeznik auf Twitter mit diesem Tweet eine rege Diskussion angestoßen:

https://twitter.com/CoachBerlin/status/1333674565986381824

Begriffsklarheit

Unter anderem wurde auch unser systemtheoretischer Mentor und Begleiter, Dr. Gerhard Wohland, eingeladen, sich in die Diskussion einzuklinken. Gerhard hat mich dann gebeten, in seinem Namen folgende Begriffsklärung zu veröffentlichen:

  • Ein System ist KOMPLIZIERT, wenn jede Folgeoperation zwingend oder zufällig (Zufall des Würfels) ist.
  • Ein System ist KOMPLEX, wenn jede Folgeoperation aus mehreren Möglichkeiten ausgewählt werden musste und auch anders hätte gewählt werden können. Die Auswahl ist immer eine Überraschung.
  • Ein System ist also komplex oder nicht. Ein „bisschen komplex“ geht nicht.
  • Allerdings kann die Menge der möglichen Folgeoperationen variieren (mindestens 2). In diesem Sinne kann ein komplexes System mehr oder weniger komplex sein.
  • Nur wenn in einem System weniger passieren kann als in seiner Umgebung, unterscheidet es sich von dieser. 
  • Ein System gewinnt diese reduzierte Komplexität durch die Unterscheidung von wichtig und unwichtig - also durch Ignoranz.

Diskussion

Auf dieser Grundlage möchte ich einige Diskussionsbeiträge kurz kommentieren:

Grundsätzlich stimme ich meinem Kollegen Heiko zu: "Komplexität ist". Ich würde allerdings ergänzen: Komplexität ist größer oder kleiner (auch im Sinne Ashby's "variety"). Handhabbar wird Komplexität durch Ignoranz.

Die Formulierung "selbst gebastelte Komplexität" würde ich eher nicht unterstützen. Vielleicht meint Mark die Unterscheidung zwischen der tatsächlichen und der wahrgenommenen bzw. zugelassenen Komplexität (siehe "Ignoranz")?

Interessant ist, dass Komplexität offensichtlich von vielen - wie am Beispiel des Tweets von Kai-Marian Pukall - aus der Perspektive "Mensch" betrachtet wird. Viel spannender und auch erkenntnisreicher finde ich, sich mit der Perspektive "System" auseinander zu setzen.

Wie kann man z.B. Unternehmen strukturell steuern, gestalten und entwickeln, damit sie dynamikrobuste Strukturen ausbilden können, in denen Menschen und Teams ihre Kreativität und ihr Talent zur Lösung der komplexen Problemanteile bestmöglich zur Entfaltung bringen können?

Dieses Argument wird gerade von Berater/innen sehr gerne verwendet: Komplexität kann bzw. sollte man nicht reduzieren. Dem würde ich entgegnen: Komplexität MUSS man IMMER reduzieren bzw. größtenteils ignorieren. Denn in hoher Komplexität wird man permanent überrascht - vor und nach Entscheidungen.+

Fazit

Wissenschaftlich ist das Thema geklärt. Ich denke, wir sollten demnächst (sprich noch vor Weihnachten) mal eine kleine Online-Denkwerkstatt zu dem Thema mit Gerhard Wohland machen.

Wer hat Interesse? Dann schreibst mir bitte eine kurze e-Mail.

Juli 4, 2020No Comments

Mentale und strukturelle Stärke entwickeln. Robust führen.

Die Wege von Dr. Christian Uhl und uns haben sich in den letzten Jahren immer wieder gekreuzt. Als einer der renommiertesten und erfolgreichsten Sportpsychologen Westösterreichs hat Chris in den letzten Jahren etliche Spitzensportler/innen, Sportteams und Top-Manager/innen mental begleitet. Sein Credo: Mit Psychologie zum Erfolg.

Chris ist Experte für den Faktor MENSCH, wir für den Faktor ORGANISATION. Das ist genau die Kombination, die es heutzutage braucht, um Unternehmen erfolgreich zu führen, zu steuern und zu entwickeln.

Deshalb machen wir ab sofort gemeinsame Sache. Chris ist ein wichtiger Partner in unserem "Network of Excellence". Weitere Partner werden wir übrigens in den nächsten Wochen noch vorstellen.

Leadership Program.

In den letzten Wochen haben wir ein gemeinsames Coaching- und Beratungsprodukt entwickelt: ROBUST FÜHREN. Worum geht es?

  • Die Anforderungen an Führungskräfte sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Alle reden von VUCA, nun ist die volatile, unsichere, komplexe und widersprüchliche Welt endgültig da.
  • Die Professionalität des Managements ist DER Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Es geht immer um die Entwicklung und Kopplung der beiden Ebenen MENSCH <> ORGANISATION.
  • Dr. Uhl ist Experte für den Faktor Mensch, wir für dynamikrobuste Organisation.
  • Unsere gemeinsame Vision: Wir setzen gezielt an beiden Polaritäten an und helfen einerseits den Führungskräften, mental robust und stark zu werden und gleichzeitig Strukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Menschen gerne und gesund Leistung erbringen und ihre Potenziale entwickeln.
  • Wir wollen für Unternehmen und Führungskräfte unternehmerische Wegbegleiter sein. Inspirierend und handfest.

 

Weitere Informationen zu unserem neuen Leadership Programm folgen demnächst.

Im Gespräch.

Vorerst haben wir mit einer 7-teiligen Gesprächsreihe gestartet. Ziel ist es, Führungskräften einige Essenzen unseres gemeinsamen Ansatzes zu vermitteln.

  • Wie können Führungskräfte mental robust und stark werden?
  • Wie kommt man in einen gesunden Rhythmus, um noch effektiver, souveräner und kraftvoller zu führen?
  • Welche Strukturen und Rahmenbedingungen braucht es, um die gestiegene Komplexität und Dynamik verarbeiten und sogar nutzen zu können?
  • Wie kann man die Ebenen Mensch <> Organisation gezielt koppeln und entwickeln?

Episode 1: Robust führen in einer neuen Zeit.

 

Wir haben die Inhalte des ca. 15-minütigen Gesprächs für Sie stichwortartig zusammen gefasst - hier die Show Notes.

Faktor Organisation

Was sind wichtige Aspekte, um Organisation (= lebendiger Organismus) besser zu verstehen?

  • Wirtschaft verstehen: Um Unternehmen zukunftsfähig zu gestalten und zu führen, müssen wir Sozialsysteme besser verstehen. Der Code der Wirtschaft beispielsweise ist (vgl. Niklas Luhmann) zahlen - nicht zahlen bzw. wettbewerbsfähiger Gewinn. Nur wenn Unternehmen diesen Code knacken, indem sie einen Nutzen stiften und eine Funktion erfüllen, können sie Teil der Wirtschaft bleiben. Führungskräfte müssen zunehmend dafür sorgen, dass in Unternehmen keine romantischen Vorstellungen von Wirtschaft entstehen. Denn das ist - speziell in der aktuellen Zeit - lebensbedrohlich.
  • Schlanke, elegante Strukturen: Im Industriezeitalter haben viele - speziell größere Unternehmen - sehr differenzierte und umfangreiche Strukturen ausgebildet - z.B. komplizierte Prozesse, umfangreiche Regeln und Handbücher oder auch IT Systeme. Um in einem dynamischen Umfeld bestehen zu können, braucht es schlanke, elegante Strukturen und Steuerung UND bewusste Freiräume, in denen Menschen ihre Kreativität und ihr Potenzial gemeinsam zur Entfaltung bringen können. Führungskräfte wiederum müssen viel besser verstehen, welche Bedeutung diese Strukturen und Rahmenbedingungen künftig haben.
  • Unternehmen experimentell entwickeln: In hoher Dynamik braucht es Schutzräume und Experimente, um neue Strukturen ausbilden, erfahren und erlernen zu können. Das, was vielfach mit dem Modebegriff "Agilität" beschrieben wird, müssen Führungskräfte konzeptionell und sogar theoretisch verstehen, um es bewusst gestalten und entwickeln zu können.

Faktor Mensch

Was zeichnet mental robuste und starke Persönlichkeiten und Führungskräfte aus?

  • Sie sind KLAR: Klar im Feedback, klar in der Kommunikation und klar in der Führung. In der Führung wird Klar-Sein ab und an mit Böse Sein gleichgesetzt. Robuste Führung ist wohlwollend klar und packt sein Gegenüber nicht in Watte. Klar Sein ist die höchste Form der Wertschätzung meiner Mitarbeiter.
  • Sie sind IMPACT-GETRIEBEN: Sie haben einen hohen Impact auf sich selbst (Selbstführung) und auf Andere (Führung von Mitarbeitern). In allem was sie tun sind robuste Führer nicht effizient, sondern effektiv. Sie überlegen sich genau, mit welcher Maßnahme sie welchen Impact erzielen können. Sie sind hoch wirkungsvoll und driften den Tag über nicht in eine Mittelmäßigkeit ab, die keiner von uns haben will.
  • Sie sind MENTAL ROBUST: Sie steuern den Raum zwischen Reiz und Reaktion bewusst zu ihrem Vorteil und halten diesen ständig geschmeidig. Sie handeln nie aus Reflex und wenden Selbstmanagement-Techniken an, die sie energetisch und hoch fokussiert durch den Tag leiten.

Auf den Weg machen...

Gerade eine Krise, wie wir sie aktuell erleben, ist der perfekte Zeitpunkt, um Führung auf der Ebene Mensch und Organisation konsequent zu entwickeln. Denn die Komplexität und Unsicherheit der Märkte wird weiter zunehmen. Nun braucht es in besonderem Maße Orientierung, Klarheit und Entschlossenheit.

Wenn Führungskräfte ihre Verantwortung noch besser und effektiver wahrnehmen wollen, müssen sie sich auf den Weg machen.

Aufbruch. Jetzt.

November 22, 2019No Comments

Wer moralisiert, kann nicht verstehen.

Um Missverständnisse von Beginn an zu vermeiden: Ohne Moral kann gesellschaftliches Zusammenleben nicht funktionieren. Denn in Sozialsystemen wird durch Werte, Normen und Prinzipien definiert, welches Verhalten wertgeschätzt bzw. verurteilt wird. ABER: Wer komplexe soziale Systeme (wie z.B. Unternehmen) besser verstehen möchte, darf nicht moralisieren.

Das Problem mit der Moral.

Die Forderung nach moralischem, werteorientiertem Handeln ist allgegenwärtig: Politiker/innen, Unternehmer/innen, Führungskräfte und Menschen im Allgemeinen sollen sich endlich anständig benehmen und das Richtige tun. So kann's doch nicht weiter gehen!
Solche Forderungen sind moralisierend. Die Intention fühlt sich bei demjenigen, der sie propagiert, gut an. Aber in der Regel ändert sich nichts am kritisierten (System)Zustand. Warum?

  • Gefühle vs. Verstand: Hinter Moral stehen Werte. Werte sind Gefühle, die sich beim Handeln einstehen. Wenn persönliche Werte verletzt werden, regt sich Emotion. Das Problem: Wer emotional ist, kann nicht mehr klar denken oder verstehen.
  • Mensch vs. System: Nur Menschen können moralisch denken und handeln. Im Unterschied dazu haben Sozialsysteme kein Bewusstsein. Das Funktionieren von Systemen wird durch formale Strukturen und Rahmenbedingungen bestimmt. Hier ist auch der Ansatzpunkt, wenn man Sozialsysteme verändern möchte. Kultur folgt der Struktur.
  • Fühlen vs. Funktionieren: Das Menschsein macht u.a. aus, dass wir denken und fühlen und so Einfluss auf die Welt nehmen können. Sozialsysteme hingegen bestehen aus der Kommunikation von Entscheidungen. Das Funktionieren von Systemen macht aus, dass Entscheidungen getroffen werden, welche die Fortsetzung des Systems ermöglichen.

Wahrheit ist Produktivkraft.

Wenn wir Zustände in Organisationen verändern wollen, müssen wir das Funktionieren von Systemen (besser) verstehen lernen. Moral und Gefühle sind hier in einem ersten Schritt hinderlich, denn sie behindern beim Denken.
Es gilt, bessere Erkenntnisse über die Zustände im jeweiligen System zu generieren (= Geist, Verstand), um in einem zweiten Schritt mit Leidenschaft und Emotion für die Veränderung einzutreten (= Haltung, Mut). Nur wenn man Bewusstsein für die Unterscheidung entwickelt, kann man die Polaritäten nützlich koppeln und integrieren.

Unterscheide, ohne zu trennen.

Wir müssen lernen, in Widersprüchen zu denken und diese zu nutzen. Dieses dialektische Denken ist den meisten Menschen fremd, weil wir in einer industriell geprägten Welt zu einseitigen Denkern trainiert wurden. Deshalb sind u.a. auch folgende Aussprüche so häufig anzutreffen:

  • "Wie machen wir das jetzt konkret?"
  • "Was ist richtig?"
  • "Was müssen wir tun?"

All diese Frage können in einfachen oder komplizierten Situationen gestellt und richtig beantwortet werden, weil diese Problemanteile mit WISSEN gelöst werden können. Je komplexer und dynamischer der Kontext aber ist, umso entscheidender ist das KÖNNEN. Denn komplexe Situationen sind auch immer widersprüchlich, unklar und erzeugen Verunsicherung, weil das Problem nicht mit reinem Wissen gelöst werden kann und/oder das Wissen fehlt.
Dialektisches Denken und Handeln bedeutet u.a., sich der Komplexität durch gute Beobachtung bewusst zu werden, die Muster komplexer Systeme besser verstehen zu lernen, mutig zu entscheiden und zu handeln und dann Erkenntnisse zu generieren, wie sich dieses Denken und Handeln ausgewirkt hat.

Zuerst (besser) verstehen, dann entscheiden und handeln.

Wer in komplexen Kontexten moralisiert, kann nicht verstehen. Genau dies passiert uns aber immer häufiger, auch bedingt durch unsere neue Medienwelt. Stimmungen sind gereizt, aufgeheizt und explosiv - wir suchen vor allem bei MENSCHEN die Lösung für unsere Probleme. Natürlich hat menschliches Verhalten die meisten der großen und kleinen Krisen unserer Zeit herbei geführt - hier liegt aber in der Regel nicht die Lösung für die Probleme.
Vielmehr müssen wir hinterfragen, welche Strukturen und Muster menschliches Verhalten prägen und beeinflussen? Das sind die SYSTEME, in denen sich unser gesamtes Leben abspielt.
In der richtigen Kopplung von System <> Mensch, Funktion <> Emotion oder Geist <> Haltung liegt die Lösung für die komplexen Probleme unserer Zeit. Nicht entweder-oder, sondern sowohl-als-auch.
Stefan Hagen
 
 

Februar 16, 2019No Comments

Organisation klar denken.

Es ist immer wieder erstaunlich, welche wirren Meinungen und Annahmen vorherrschen, wenn es um Organisation, Management und Zusammenarbeit geht. Angeheizt werden diese Diskussionen durch aktuelle Modebegriffe wie New Work, Agilität, Digitalisierung, VUCA, Kulturwandel etc. pp.

Viel Blah-Blah, wenig Substanz.

Plötzlich scheint jeder und jede eine Ideen zu haben, was in Sachen Organisation zu tun ist. Ein Gedanke ist aber noch lange keine gute Idee - eine Meinung noch lange kein fundiertes Argument. Dies gilt in besonderem Maße für Themen der Unternehmensorganisation.
Immer wieder sind dieselben Stehsätze zu hören:

  • „Wir müssen agiler werden.“
  • „Wir müssen unser Unternehmen digital transformieren.“
  • „Wir müssen unsere Kultur entwickeln.“
  • „Wir müssen New Work einführen, damit die Arbeit für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder Sinn macht.“
  • „Wir müssen wieder menschlicher werden.“

Für die meisten Menschen klingt das sehr logisch und moralisch erstrebenswert. Aus organisationstheoretischer Sicht handelt es sich aber meist um leere Worthülsen.

Stefan Kühl

Ein in diesem Zusammenhang genialer Denker ist der Soziologe Prof. Stefan Kühl. Ihm gelingt es immer wieder, mit viel Wissen und Humor die Denkfehler zu entlarven, die wir in der Praxis häufig machen.
Ich empfehle Ihnen, diesen ca. 45-minütigen Vortrag in Ruhe anzuschauen.

Themen des Vortrags sind:
1. Worum geht es bei „New Work“ eigentlich?
2. Probleme der neuen Ansätze
3. Organisationskonzepte sind wie Sprichwörter
4. Auf- und Niedergang von Organisationskonzepten
5. Ausblick, was zu tun ist
Einige Kernaussagen des Vortrags sind:

  • Moderne Managementkonzepte und -moden folgen immer derselben Rezeptur:
    1. Hierarchie abschaffen
    2. Abteilungen und Silos auflösen
    3. Zurücknahme der Formalisierung (und damit „Humanisierung“ von Unternehmen)
  • Neue Managementkonzepte verschärfen häufig folgende Probleme:
    • Identitätsproblem: Effekte, die sich durch das Ausbilden autonomer Einheiten ergeben
    • Politisierungsproblem: Verschärfung von Machtkämpfen, die sich durch die Zurücknahme von Hierarchie ergeben
    • Komplexitätsproblem: Herausforderungen explodierender Komplexität, die sich durch neue (freiere) Kommunikationsformen ergeben
  • Managementkonzepte funktionieren wie Sprichwörter: Zu jedem Sprichwort gibt es auch ein gegenteiliges Sprichwort, das irgendwie auch plausibel klingt.
  • Es gibt keine optimale Form der Organisation.

Stefan Hagen
 
 

März 18, 20184 Comments

Führung in zunehmender Dynamik: Dynamikrobuste Höchstleister.

Vor gut einer Woche haben wir einen eintägigen Denkraum mit Dr. Gerhard Wohland, Ralf Hildebrandt (dynamikrobust.com) und 12 Geschäftsführern und Führungskräften durchgeführt. Es war - wie immer mit Gerhard und Ralf - aufrüttelnd, inspirierend und lehrreich. Warum?

Die beiden zählen zu den Top-Experten in soziologischer Systemtheorie (Parsons, Luhmann...) im deutschsprachigen Raum. Wie so häufig bei brillanten Theoretikern haben andere Autoren, die z.B. das Wohland'sche Modell der Taylor Wanne oder die Unterscheidung zwischen blau (kompliziert) und rot (komplex) aufgegriffen haben, größere Bekanntheit in Fachkreisen erlangt.
Nach einem Tag mit Wohland/Hildebrandt kann man Organisation, Führung und Wirtschaft nicht mehr so denken wie zuvor. Denn vieles, was wir als logisch und klar akzeptiert haben, gerät ins Wanken, wenn wir es durch die soziologische Brille betrachten. Einige Beispiele gefällig?

  • Organisation besteht nicht aus Menschen.
  • Organisation besteht nur aus Kommunikation.
  • Soziale Systeme können nicht wahrnehmen, nur kommunizieren.
  • Wirtschaft ist moralisch dicht.
  • Kultur kann man nicht entwickeln.
  • Informationen kann man nicht austauschen.

Die soziologische Systemtheorie beinhaltet unzählige Provokationen und Irritationen, wenn man von der Betriebswirtschafts- und Managementlehre geprägt wurde. Genau darin besteht das immense Potenzial der Systemtheorie. WIRKLICH neues (Nach)Denken über Wirtschaft, Organisation, Führung und Zusammenarbeit.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse besteht für mich darin, dass man Allgemeinplätze, wie man sie tagtäglich in Medien, auf Facebook, LinkedIn, Twitter, Blogs etc. liest, radikal hinterfragt. Denn die meisten Allgemeinplätze sind - theoretisch betrachtet - völliger Unfug und "unnützer Denkmüll" (Zitat Wohland).
Warum ist diese Ausprägung der Systemtheorie genau jetzt so relevant?

Umgang mit zunehmender Dynamik

Unternehmen müssen heute in der Lage sein, mit zunehmender Dynamik umzugehen. Mehr noch: Die besten Unternehmen nutzen Marktdynamik, um mit echten Innovationen Marktdruck zu erzeugen. Diese Unternehmen agieren schneller, gezielter und häufig auch unkonventioneller.
Für mich ist klar:

  1. Dynamik: Die Marktdynamik wird weiter zunehmen.
  2. Anpassung: Unternehmen müssen sich auf die Marktdynamik einstellen, sonst werden sie untergehen.
  3. Wissen: Die Organisations- und Führungskonzepte des Industriezeitalters sind bei hoher Dynamik häufig nutzlos oder sogar kontraproduktiv.
  4. Theorie: Wir brauchen künftig neben dem praktischen Ausprobieren und Erleben vor allem fundierte Theorie, um Organisationen zukunftsfähig zu managen und zu entwickeln.

 

Neues Denken

Mein Blogger-Kollege Conny Dethloff hat bereits vor einigen Jahren von der "kopernikanischen Wende im Management" gesprochen. Diese wird aufgrund der bereits angesprochenen höheren Umfelddynamik notwendig. Diese Ansicht teile ich. Hinzu fügen würde ich noch, dass wir folglich auch eine neue Form der Aufklärung benötigen. Denn unser Denken über die Welt ist auch aufgrund der neuen Medienwelt zunehmend vernebelt und verklärt.
Die meisten Konzepte, die in den letzten Jahren das vermeintlich Neue versprochen haben, sind eigentlich nur alter Wein in neuen Schläuchen. Ein gutes Beispiel ist Agiles Management. Natürlich sind Konzepte wie Scrum etc. für viele Organisationen neu. Die Prinzipien hinter Agile sind aber aus den 1950er Jahren.
Meine persönliche kopernikanische Wende im Management- und Organisationsverständnis hat die Auseinandersetzung mit Systemtheorie bewirkt. Speziell die soziologische Systemtheorie nach Parsons und Luhmann birgt Erkenntnisse, die für moderne Unternehmensführung und -entwicklung unverzichtbar sind.
Der Soziologe Stefan Kühl formuliert die Bedeutung von Systemtheorie in diesem Zusammenhang wie folgt (Quelle):

"Ich würde also sagen, die Systemtheorie hat eine aufklärerische, distanzierte Funktion, wenn es um die Beschreibung von Organisationen und ihren Veränderungen geht. Sie macht die ganze Euphorie nicht mit, die in der Management- und Beraterwelt stattfindet."

Das "Problem" mit der Systemtheorie ist nur, dass sie demjenigen, der sie lernen und verstehen möchte, einiges abverlangt. Denn sie zwingt zu wirklich neuem Denken. Eingefleischte Praktiker/innen und Macher/innen reagieren häufig irritiert, ablehnend oder mit Unverständnis. Genau hier liegt die Chance.

Fazit

Wir nutzen Systemtheorie praktisch tagtäglich in unseren Projekten. Denn gute Theorie ist in komplexen Situationen tatsächlich das Praktischste, was man für wirkungsvolle Problemlösung zur Verfügung hat. Gute Theorie ist Praxis im Kopf.
Ich würde mir wünschen, dass alle Menschen, die in Organisationen (Führungs)Veranwortung übernehmen, Systemtheorie als wirklich NEUES DENKMODELL entdecken und sich damit beschäftigen. Systemtheoretisches Denken macht einen Unterschied, der einen Unterschied macht 😉
Stefan Hagen
 
 

Dezember 26, 2017No Comments

Jahresrückblick 2017 (1): Viable Organization

Mit großer Dankbarkeit blicke ich auf das (fast) vergangene Jahr zurück. Wir durften tolle Kunden begleiten, spannende Projekte umsetzen und Tag für Tag lernen. 2017 war ein gutes und erfolgreiches Jahr.
In den nächsten Tagen werde ich das anhand fünf kurzer Episoden einen Jahresrückblick versuchen. Es handelt sich um Entwicklungen und Erkenntnisse, die für unser Unternehmen von großer Bedeutung waren und sind. Den Start bildet unser systemischer Beratungsansatz: Viable Organization (= funktionierende, überlebensfähige Organisation). Read more

Mai 27, 2017No Comments

Unternehmenskultur: Vorder- und Hinterbühne.

Eine der interessantesten und gleichermaßen spannendsten Definitionen von (Unternehmens)Kultur stammt von Systemtheoretiker Dr. Gerhard Wohland. Er unterteilt den Begriff in eine Vorderbühne und eine Hinterbühne. Was ist damit gemeint?  Read more

Juli 24, 2016No Comments

Erfahrungsbericht: Denkwerkstatt Agile Managementsysteme (1-3)

Unternehmen benötigen ein bewusst gestaltetes Managementsystem, um wertschöpfende Zusammenarbeit effektiv und effizient auszurichten:

  1. Vision
  2. Strategie
  3. Prozesse/Projekte
  4. Strukturen
  5. Informations- und Kommunikationssysteme

So lautet die unserer Ansicht nach bewährte Logik, um Managementsysteme verständlich und durchgängig aufzubauen. Dabei stützen wir uns konzeptionell vor allem auf die St. Galler Managementlehre (Ulrich, Krieg, Malik, Rüegg-Stürm, Grand, Gomez, Zimmermann u.a.).
Seit einigen Jahren lässt sich zunehmend feststellen, dass die Akzeptanz und damit auch die Wirksamkeit von Managementsystemen in vielen Unternehmen stark nachgelassen hat. Dies ist auch nicht verwunderlich, da der eigentlich gute Grundgedanke immer mehr vergessen wurde: Immer technokratischer, bürokratischer, starrer. Dieser Fehlentwicklung wollen wir mit der Denkwerkstatt "Agile Managementsysteme" entgegen treten.  Read more

Februar 28, 20161 Comment

Höchstleister in einer komplexen Welt – Vom Wissen zum Können.

Dr. Gerhard Wohland ist ein inspirierender und scharfsinniger Denker zu Führungs- und Organisationsthemen. Das, was er über "dynamikrobuste Höchstleister" in den letzten Jahren gesagt und geschrieben hat, sollten alle Unternehmer und Führungskräfte kennen.
Einige seiner Kernthesen sind (vgl. Wohland u.a. 2004: Vom Wissen zum Können. Merkmale dynamikrobuster Höchstleistung - PDF Download):  Read more