Es ist bereits zur Tradition geworden, dass wir am Festival FAQ Bregenzerwald teilnehmen. Hier werden brennende Fragen unserer Zeit mit klugen Köpfen in inspirierenden Umgebungen und Räumen diskutiert. Für uns eine ideale Gelegenheit, um Fragen der Veränderung, des gesellschaftlichen, organisationalen sowie individuellen Wandels zu reflektieren und zu vertiefen.
Ich möchte einige Gedanken, Eindrücke und Erkenntnisse teilen.

Im Problem steckt die Veränderungsenergie.

Die Welt ist voller Probleme - und das ist bis zu einem gewissen Maß auch gut so. Denn Menschen wollen Probleme und schwierige Aufgaben lösen und damit die Welt im Kleinen oder im Großen besser machen.
Wenn jedoch die Schwere zwischen Problem und Lösung über einen längeren Zeitraum auseinander geht, droht der Kollaps. Beispiele hierfür sind:

  • Ökologischer Kollaps: Wir zerstören seit vielen Jahrzehnten unsere ökologische Lebensgrundlagen - vor allem aber jene unserer Kinder und Enkelkinder. Wir verbrauchen im Jahr 2018 circa doppelt so viele Ressourcen, wie sie unsere Erde reproduzieren kann.
  • Gesellschaftlicher Kollaps: Die viel zitierte Schwere zwischen Arm und Reich wird seit Jahrzehnten größer - auch wenn der weltweite Wohlstand global stark zugenommen hat. Immer mehr Menschen fühlen sind (zu recht) als Verlierer, es fehlt ihnen (und besonders den Kindern) an Chancen und Perspektiven. Zunehmende gesellschaftliche Spannungen und politische Polarisierung sind logische Folgen.
  • Politischer Kollaps: Politik ist das Führungssystem einer Gesellschaft. Sie hat die Aufgabe und Verantwortung, Rahmenbedingungen für eine möglichst nachhaltige Entwicklung (ökologisch, sozial, wirtschaftlich) zu schaffen. In immer mehr Ländern und Demokratien dieser Welt muss aber angezweifelt werden, dass die Politik ihrer Verantwortung in einer guten Art und Weise nachkommt. Eine Pauschalverurteilung ist immer falsch, aber in vielen Problemfeldern präsentiert und verfolgt die Politik aktuell keinen enkeltauglichen Lösungsweg.
  • Demographischer Kollaps: In vielen Ländern dieser Welt steigt die Bevölkerungsanzahl nach wie vor stark an. Die Entwicklung der Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme kann meistens nicht mithalten. Dies führt zu teils katastrophalen Lebensbedingungen. In Kombination mit anderen Problemfeldern (z.B. Klimawandel, Kriege, Hunger...) sind Menschen immer häufiger zum Verlassen ihres Herkunftslandes gezwungen.
  • Bildungs-Kollaps: Das Bildungssystem soll Menschen auf ihr späteres Leben vorbereiten. Speziell Kinder und Jugendliche sollen sich hier Kompetenz in Form von Wissen und Können aneignen, welches sie befähigt, später Verantwortung in Familie, Gesellschaft und Wirtschaft wahrzunehmen. Das Bildungssystem ist in weiten Teilen ein geschlossenes System, es passt sich nicht in ausreichendem Maße an die Veränderungen Umfeldes an. Die Wirkungen zeigen sich in praktisch allen Teilsystemen der Gesellschaft. Bildung ist der Schlüssel zu einer besseren und gerechteren Welt.
  • Wirtschaftlicher Kollaps: Wir wissen, dass Dinge nicht unendlich wachsen können - so auch nicht die Wirtschaft. Es muss gelingen, die Transformation in ein nachhaltiges Wirtschaftssystem zu schaffen. Hier liegt der Schlüssel, um den ökologischen und sozialen Kollaps zu verhindern.

Im Erkennen und Akzeptieren der großen Probleme unserer Gegenwart und Zukunft steckt die Veränderungsenergie. Wir brauchen Verstehen (=Kopf, Verstand, Fakten) und Verständnis (=Herz, Emotion, FAQten), um gemeinsam ins TUN (=Hand, Handlung) zu kommen. Wenn wir kognitiv und emotional WIRKLICH in Resonanz zu den brennenden Problemen sind, werden wir unsere tagtäglichen Handlung und Entscheidungen schrittweise verändern.
Dieser Lernprozess muss auf allen Ebenen unserer Gesellschaft stattfinden - erst dann wird die Veränderung nachhaltig sein.

Fakten und FAQten.

Wir leben in einer zunehmend erregten, gereizten und emotionalisierten Gesellschaft (vgl. z.B. Pörksen: Die große Gereiztheit). Das Wutbürgertum hat Hochkonjunktur. Die Lösung für die Probleme unserer Zeit wird immer häufiger im Außen gesucht. Dieses Denken und Fühlen (!) vernebelt die Sicht und führt zu keinen Lösungen.
Wir brauchen vor allem einen klaren Geist und eine mutige Haltung (=Geistes-Haltung), um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Im Sinne der FAQ Bregenzerwald könnte dies bedeuten:

  • Mehr Fakten: Wir brauchen mehr empirische Daten und faktisches Wissen über Trends, Entwicklungen und Probleme. Hier liegt eine wesentliche Bildungsverantwortung, der wir gerecht werden müssen. Mehr noch: Wir brauchen in vielen Bereichen eine neue Aufklärung, um Orientierung im Übergang in das postindustrielle, vernetzte Zeitalter zu gewinnen.
  • Mehr FAQten: Die FAQ Bregenzerwald steht für Inspiration, lebendige Diskurse, Kultur und Lebenskunst. Insofern ist das Format beispielgebend für eine emotionale Qualität, die wir in Zeiten des Wandels brauchen. Denn es kann nur gelingen, wenn wir in Beziehung zu uns selbst, zu anderen und den systemischen Problemen in der Welt kommen. Der Zugang über spannende Fragen ist angesichts der zunehmenden Komplexität genau der richtige.

Zukunft ist jetzt. Es gibt genügend Potenziale für eine gute Zeit. Jede und jeder kann etwas beitragen.
Neues Denken - neue Haltung - neues TUN - neue Erkenntnis. Weiter, immer weiter...
Ihr Stefan Hagen