Don Tapscott ist einer der international renommiertesten Autoren und Speaker im Themenfeld Digitalisierung / Digitale Transformation. Trotzdem stelle ich die Hypothese auf, dass 9 von 10 Führungskräften in unseren Breitengraden den Namen noch nie gehört haben. Warum ist das so?
Eine weitere Hypothese: Wir haben in Europa ein massives (Kultur)Problem mit genau dem, wofür Don Tapscott so leidenschaftlich plädiert: Mit der Offenheit

Das Problem mit der Offenheit.

Wir befinden uns mitten im Übergang in ein vernetztes Zeitalter, eine vernetzte Gesellschaft und Wirtschaft. Der Ursprung dessen ist die Erfindung des Internets und damit verbunden der neuen Möglichkeiten der digitalen Vernetzung.
Dies bringt laut Don Tapscott (siehe Video weiter unten) vor allem eine essenzielle Konsequenz mit sich: Offenheit. Nun ist es mit der Offenheit wie mit allen Dingen im Leben: Es gilt, das richtige Maß zu finden. Aber genau hier haben wir ein klassisches Henne-Ei-Problem. Viele von uns scheinen der Digitalisierung (#Neuland) so kritisch gegenüber zu stehen, dass dies eine offene, nüchterne oder gar neugierige Auseinandersetzung mit dem Thema von vorn herein verhindert.
Und das ist ein echtes Problem. Denn besonders dort, wo Menschen die Rahmenbedingungen für Zusammenarbeit und Zusammenleben gestalten und verändern können - nämlich in den Führungsetagen - scheint die Skepsis und Ablehnung groß zu sein. Fast reflexartig wird die Digitalisierung und deren Möglichkeiten eher als Gefahr denn als Chance gesehen. Neuen Technologien und - noch schlimmer - die damit verbundenen Wertemuster werden tendenziell eher ablehnend beurteilt.
Kein Wunder, denn durch die Digitalisierung wird in vielen Bereichen kein Stein auf dem anderen bleiben. Speziell die Führungs- und Organisationslogiken werden sich zwangsläufig verändern. Weg von hierarchischen Pyramidenorganisationen, hin zu stärker demokratischen Netzwerk- oder Kreisorganisationen. Daran führt kein Weg vorbei. Das spürt man vor allem in der Führung.

"Open mindset" ist alternativlos.

Ein Lernprozess hin zu mehr Offenheit ist alternativlos. Denn neues, offenes Denken ist die Voraussetzung für echtes Lernen. Enges, rückwärtsgewandtes Denken verhindert Lernen und Entwicklung. Und das ist diesen Zeiten das sichere Todesurteil für Produkte, Geschäftsmodelle und ganze Unternehmen.

TED Talk von Don Tapscott


Ich empfehle ein Zeit-Investment von knapp 20 Minuten, um diesen TED Talk von Don Tapscott aufmerksam anzuhören und anzuschauen. Er zeigt an vier Prinzipien auf, was die Folgen der neuen Offenheit sind:

  • Collaboration: Die Grenzen sozialer Systeme werden offener. So ergeben sich völlig Neue Möglichkeiten der Wertschöpfung und der Problemlösung. Unternehmen, die sich dies zu Nutze machen, können essenzielle Wettbewerbsvorteile generieren. (Stichworte: network organisations, social production, collaborative problem-solving)
  • Transparency: Unternehmen und Einrichtungen werden zunehmend gläsern. Daraus folgt: "Fitness is no longer optional." Echte, authentische Qualitäten und Werte sind gefordert, um Vertrauen bei Mitarbeiter/innen, Kunden, Partnern und sonstigen Stakeholdern zu schaffen.
  • Sharing: Wir versuchen nach wie vor, Ideen, Wissen etc. vor allem mit juristisch-rechtlichen Möglichkeiten zu schützen. Dies wird in den meisten Bereichen zum Scheitern verurteilt sein. Denn wie die Musikindustrie und viele andere Beispiele zeigen: Die kollektive Kraft der Vernetzung wird stärker sein. Und das ist gut so. Denn so können größere Werte geschaffen werden, die über das Interesse einzelner Marktteilnehmer hinaus geht.
  • Empowerment: Wissen, Daten und Intelligenz bedeuten Macht. Diese Macht liegt mehr und mehr in den Händen Vieler. Die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche auf der Welt zeigen dies eindrucksvoll auf. Und auch hier gilt: In Summe ist dies eine riesige Chance für die Menschheit.

Fazit

Klar werden und müssen wir die Entwicklungen gut beobachten, differenziert bewerten und uns unser selbständiges Denken bewahren. Klar! Aber wir brauchen auch eine möglichst vorurteilsfreie und neugierige Beschäftigung mit den neuen digitalen Möglichkeiten.
Drei konkrete Empfehlungen in diesem Zusammenhang:

  • Beobachte, ohne zu bewerten: Versuchen Sie, Aspekte der Digitalisierung länger und genauer zu beobachten, zu hinterfragen und dadurch wirklich zu verstehen.
  • Unterscheide, ohne zu trennen: Versuchen Sie, die Unterschiede zwischen dem "Alten" und dem "Neuen" zu erkennen, ohne gleich in eine Richtig-Falsch-Logik zu verfallen. Versuchen Sie, Unterschiede bewusst zu nutzen.
  • Echter Dialog: Versuchen Sie, so oft wie möglich mit Vorreiter/innen und Vordenker/innen der "digitalen Szene" in Kontakt zu kommen. Treten Sie in einen echten Dialog ein und versuchen Sie, die Erfolgsmuster und -prinzipien aber auch die blinden Flecken zu verstehen. Glauben Sie mir: Es gibt vieles, was etablierte Unternehmen und Unternehmer/innen von den "Freaks" der digitalen Szene lernen können.

Mehr Offenheit im Umgang mit den Herausforderungen unserer Zeit wird zu besseren Ergebnissen führen.