März 12, 2020No Comments

10 Denkfehler über Organisation, die sich hartnäckig halten.

Diese Woche war Dr. Gerhard Wohland wieder mal für zwei Denkwerkstätten "Dynamikrobuste Organisation" bei uns in der Postgarage Arena zu Gast. Es war wie immer ein spektakuläres Erlebnis. Warum?

Gerhard Wohland kann das, was wir tagtäglich in Organisationen (= Sozialsysteme) erleben, scharf und präzise erklären. Mit Theorie. Dabei zeigt er einem gnadenlos auf, welche Denkfehler wir ständig machen, wenn wir Organisations- und Managementprobleme lösen wollen.

Ich habe 10 dieser Denkfehler zusammen gestellt, die sich in der Unternehmens- aber auch der Beratungspraxis hartnäckig halten, wenn es um die Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von Organisationen geht. ACHTUNG, die Thesen könnten Sie emotional erregen oder aufregen 😜 🔥

  1. Sozialsystem ≠ Menschen: Dieser Gedanke ist für viele nur schwer zu packen. Eine Organisation besteht nicht aus Menschen. Vielmehr zählen Menschen zur Umwelt der Organisation. Wenn wir die beiden Faktoren System <> Mensch im Denken nicht sauber auseinander halten, können wir die Sozialsysteme und ihre Wirkmächtigkeit auf das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen nicht verstehen.
  2. Wirtschaft ≠ romantisch: Die meisten modernen Konzepte über Organisation, Führung und Innovation enthalten romantische Ideen über Wirtschaft. Implizit wird unterstellt, dass in der Wirtschaft jene erfolgreich sind, die besonders freundlich, menschlich oder sinnorientiert agieren. Dem ist aber nicht so. Wirtschaft ist wie Feuer, das sich angenehm anfühlt, wenn man es - im übertragenen Sinne - im Ofen hat. Wenn Unternehmen aber zu nahe ans Feuer kommen, werden sie gnadenlos verbrannt. Das Feuer kann nicht die ethisch-moralisch WERTvollen von den anderen Unternehmen unterscheiden. Denn Sozialsysteme haben kein Bewusstsein, keinen Körper und somit auch keine Emotion. Das haben nur Menschen.
  3. Kultur ≠ gestaltbar: Wir betrachten Organisation und deren Kultur (= emotionales Gedächtnis) als Gestaltungsgegenstand. Das kann man so machen, ist aber ein Denkfehler. Denn Kultur kann man nicht entwickeln, man kann sie nur beobachten (Kultur = Lernumgebung). Menschen (insbesondere Führungskräfte) können in Unternehmen Entscheidungen treffen und dann beobachten, ob dies eine konstruktive Wirkung auf die gelebte Kultur haben. Das Entscheidende bei der Kultur - nämlich die Wertekultur auf der "Hinterbühne" - kann man aber niemals direkt beeinflussen (und auch nicht auf Anhieb erkennen, geschweige denn verstehen).
  4. Probleme ≠ schlecht: Wir verbinden den Problembegriff häufig mit etwas Negativem - deshalb dürfen wir nur noch "Herausforderung" sagen. In Organisationen ist es aber essenziell wichtig, die relevanten Probleme (vor allem die Marktprobleme in der externen Referenz) zu verstehen und die Organisation darauf auszurichten. Die Krux: Das, was wir meistens als Problem wahrnehmen, hat mit den eigentlich zu lösenden Problemen nichts oder nur wenig zu tun. Dynamikrobuste Höchstleister lösen Probleme. Eines nach dem anderen.
  5. Kompliziert ≠ komplex: Wir verwenden im Alltag die beiden Begriffe häufig synonym. Die Unterscheidung kompliziert (= blau) <> komplex (= rot) ist aber entscheidend, um das zu verstehen, was wir häufig mit VUCA beschreiben - nämlich die "neue Welt", mit der Unternehmen konfrontiert sind.
  6. Wissen ≠ Können: Wir vermischen die Problemanteile, die wir mit Wissen (= blau) lösen können und jene, die zwingend Können (= rot) erfordern. Wissen kann dokumentiert und reproduziert werden (z.B. in Prozessen oder Methoden). Können erfordert immer Menschen mit Talent, die ihre spezifischen Fähigkeiten und Ideen auf die komplexen Problemanteile anwenden. Dynamikrobuste Höchstleister haben das Wissen UND das Können, um sich rasch an Veränderungen anzupassen und Marktprobleme intelligenter, kreativer, effektiver und schneller zu lösen. Das ist ihre Kompetenz (= wissen + können).
  7. Management ≠ altmodisch: Viele plädieren heutzutage dafür, dass wir wieder mehr führen (eng. Leadership) und weniger managen sollen. Denn Management ist schlecht und böse. 😤 Das kann zu einem fatalen Denkfehler führen. Denn Management ist nichts anderes als eine Systemfunktion, nämlich die eine Einheit der Unterscheidung von steuern (= blau, erfordert Macht) und führen (= rot, erfordert Ansehen). Unternehmen, die sich in dynamischen Märkten bewegen, benötigen mehr denn je gutes und richtiges Management (= steuern + führen) - ganz im Sinne von Peter F. Drucker.
  8. Macht ≠ böse: Wenn die Steuerung in Unternehmen versagt, ist der Untergang vorprogrammiert. Steuerung ist dort notwendig und möglich, wo ausreichend Wissen vorherrscht, um richtige Entscheidungen zu treffen. Dies ist nach wie vor in vielen (den meisten) zu entscheidenden Situationen der Fall. Dort hingegen, wo Wissen fehlt, braucht es "Meister" (m/w) mit Talent, die Lösungsprozesse provozieren, anstoßen und moderieren. Macht und die damit verbundene Steuerung wird dadurch aber nicht obsolet - ganz im Gegenteil. Sie muss nur erkennen, wo sie sich raus halten muss - nämlich bei den komplexen, roten Problemen.
  9. Chaos ≠ Dynamik: In der Praxis fühlen sich Chaos und Dynamik gleich an - es handelt sich aber um Phänomene mit völlig unterschiedlichem Ursprung. Chaos in Unternehmen kann durch Wissen, Ordnung, Disziplin und Steuerung eliminiert werden. Vom Markt ausgelöste Dynamik hingegen kann nur mit Talent, guten Ideen und Kreativität bekämpft werden.
  10. Erfolg ≠ Methode: Vor gut 200 Jahren hat die Ära der Industrialisierung langsam aber unaufhaltsam begonnen. Dadurch konnte die Produktivität in der Wirtschaft und damit der Wohlstand auf der Welt signifikant gesteigert werden. Im Kern hat Taylor mit seiner Idee des Scientific Management dafür gesorgt, dass die menschliche Kreativität schrittweise aus Organisationen verbannt wurden. Menschen mussten im System "funktionieren", das hat zum Erfolg von Unternehmen geführt. Menschen waren Teil einer Organisations-Methode, die im Wesentlichen auf stabilen Funktionen, Prozessen und konsequenter Steuerung beruhten. Dieses Prinzip hat sich unbemerkt in unser Bewusstsein und unsere Denkweise eingebrannt. Wir suchen überall nach blauen Methoden und Rezepten, WIE wir erfolgreich sein können. In einer zunehmen dynamischen Welt braucht es aber wieder mehr rote Kreativität und Könnerschaft. Wir müssen die Frage nach dem WIE? durch WER? ersetzen.

Ich freue mich schon auf eine anregende Diskussion zu den Thesen.

Wenn Sie sich für Dynamikrobuste Organisation interessieren, freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme. Die Termine der nächsten Denkwerkstätten mit Dr. Wohland kommunizieren wir regelmäßig über unseren Newsletter.

Stefan Hagen

November 22, 2019No Comments

Wer moralisiert, kann nicht verstehen.

Um Missverständnisse von Beginn an zu vermeiden: Ohne Moral kann gesellschaftliches Zusammenleben nicht funktionieren. Denn in Sozialsystemen wird durch Werte, Normen und Prinzipien definiert, welches Verhalten wertgeschätzt bzw. verurteilt wird. ABER: Wer komplexe soziale Systeme (wie z.B. Unternehmen) besser verstehen möchte, darf nicht moralisieren.

Das Problem mit der Moral.

Die Forderung nach moralischem, werteorientiertem Handeln ist allgegenwärtig: Politiker/innen, Unternehmer/innen, Führungskräfte und Menschen im Allgemeinen sollen sich endlich anständig benehmen und das Richtige tun. So kann's doch nicht weiter gehen!
Solche Forderungen sind moralisierend. Die Intention fühlt sich bei demjenigen, der sie propagiert, gut an. Aber in der Regel ändert sich nichts am kritisierten (System)Zustand. Warum?

  • Gefühle vs. Verstand: Hinter Moral stehen Werte. Werte sind Gefühle, die sich beim Handeln einstehen. Wenn persönliche Werte verletzt werden, regt sich Emotion. Das Problem: Wer emotional ist, kann nicht mehr klar denken oder verstehen.
  • Mensch vs. System: Nur Menschen können moralisch denken und handeln. Im Unterschied dazu haben Sozialsysteme kein Bewusstsein. Das Funktionieren von Systemen wird durch formale Strukturen und Rahmenbedingungen bestimmt. Hier ist auch der Ansatzpunkt, wenn man Sozialsysteme verändern möchte. Kultur folgt der Struktur.
  • Fühlen vs. Funktionieren: Das Menschsein macht u.a. aus, dass wir denken und fühlen und so Einfluss auf die Welt nehmen können. Sozialsysteme hingegen bestehen aus der Kommunikation von Entscheidungen. Das Funktionieren von Systemen macht aus, dass Entscheidungen getroffen werden, welche die Fortsetzung des Systems ermöglichen.

Wahrheit ist Produktivkraft.

Wenn wir Zustände in Organisationen verändern wollen, müssen wir das Funktionieren von Systemen (besser) verstehen lernen. Moral und Gefühle sind hier in einem ersten Schritt hinderlich, denn sie behindern beim Denken.
Es gilt, bessere Erkenntnisse über die Zustände im jeweiligen System zu generieren (= Geist, Verstand), um in einem zweiten Schritt mit Leidenschaft und Emotion für die Veränderung einzutreten (= Haltung, Mut). Nur wenn man Bewusstsein für die Unterscheidung entwickelt, kann man die Polaritäten nützlich koppeln und integrieren.

Unterscheide, ohne zu trennen.

Wir müssen lernen, in Widersprüchen zu denken und diese zu nutzen. Dieses dialektische Denken ist den meisten Menschen fremd, weil wir in einer industriell geprägten Welt zu einseitigen Denkern trainiert wurden. Deshalb sind u.a. auch folgende Aussprüche so häufig anzutreffen:

  • "Wie machen wir das jetzt konkret?"
  • "Was ist richtig?"
  • "Was müssen wir tun?"

All diese Frage können in einfachen oder komplizierten Situationen gestellt und richtig beantwortet werden, weil diese Problemanteile mit WISSEN gelöst werden können. Je komplexer und dynamischer der Kontext aber ist, umso entscheidender ist das KÖNNEN. Denn komplexe Situationen sind auch immer widersprüchlich, unklar und erzeugen Verunsicherung, weil das Problem nicht mit reinem Wissen gelöst werden kann und/oder das Wissen fehlt.
Dialektisches Denken und Handeln bedeutet u.a., sich der Komplexität durch gute Beobachtung bewusst zu werden, die Muster komplexer Systeme besser verstehen zu lernen, mutig zu entscheiden und zu handeln und dann Erkenntnisse zu generieren, wie sich dieses Denken und Handeln ausgewirkt hat.

Zuerst (besser) verstehen, dann entscheiden und handeln.

Wer in komplexen Kontexten moralisiert, kann nicht verstehen. Genau dies passiert uns aber immer häufiger, auch bedingt durch unsere neue Medienwelt. Stimmungen sind gereizt, aufgeheizt und explosiv - wir suchen vor allem bei MENSCHEN die Lösung für unsere Probleme. Natürlich hat menschliches Verhalten die meisten der großen und kleinen Krisen unserer Zeit herbei geführt - hier liegt aber in der Regel nicht die Lösung für die Probleme.
Vielmehr müssen wir hinterfragen, welche Strukturen und Muster menschliches Verhalten prägen und beeinflussen? Das sind die SYSTEME, in denen sich unser gesamtes Leben abspielt.
In der richtigen Kopplung von System <> Mensch, Funktion <> Emotion oder Geist <> Haltung liegt die Lösung für die komplexen Probleme unserer Zeit. Nicht entweder-oder, sondern sowohl-als-auch.
Stefan Hagen
 
 

Mai 17, 20143 Comments

Führung mit Herz, Kopf und Hand

"Führung" ist in sozialen Systemen eine überlebenswichtige Funktion. Gleichzeitig stellen wir fest, dass Menschen, die Führungsverantwortung übernehmen, immer häufiger überfordert und erschöpft sind und folglich nicht im Sinne des Ganzen handeln.
Mein bislang wichtigster Lehrer in systemischer Führung war Kambiz Poostchi. Er verbindet die Erkenntnisse der Systemtheorie mit handfester, systemischer Praxis. Noch nie habe ich die Dinge, die ich tagtäglich in Unternehmen, Organisationen und auch in meinem privaten Umfeld erlebe, in ähnlicher Klarheit aufgezeigt und erklärt bekommen. Dafür danke ich Dir, Kambiz.
Im folgenden Blogbeitrag übertrage ich die drei systemischen Leitprinzipien Zugehörigkeit, Achtsamkeit und Ordnung auf das Thema "Führung in Organisationen". Damit folge ich dem Aufruf des von mir sehr geschätzten Führungskräftetrainers Dr. Bernd Geropp, der zu einer so genannten Blog-Parade aufgerufen hat, in der er nach den wichtigsten 3 Führungsprinzipien fragt. Meine Antwort lautet: Führung mit Herz, Kopf und Hand.
Read more