September 30, 2020No Comments

Corona-Krise aus systemtheoretischer Sicht: Unternehmertum. Jetzt.

Am 19.3.2020 habe ich mit Dr. Gerhard Wohland das erste Gespräch über die "Corona-Krise aus systemtheoretischer Sicht" geführt. Nun - fast sechs Monate später - scheinen Unsicherheit und Chaos in der öffentlichen Debatte einen neuen Höhepunkt erreicht zu haben.

Der Weg aus der Krise führt über eine konstruktive Kopplung folgender Polaritäten:

  • a) VERNUNFT und wissenschaftsbasierte Argumente sowie
  • b) GEFÜHL und professionelle Intuition (vgl. Prof. Peter Kruse), aber bitte von jenen Menschen, die geübt sind im Umgang mit Krisen. Laut Gerhard Wohland sind dies vor allem Unternehmerinnen und Unternehmer, die gewohnt sind, Entscheidungen in hoher Unsicherheit und Dynamik zu treffen.

Die neue Ära des Unternehmertums.

Dieser Argumentation folgt übrigens auch das Zukunftsinstitut von Dr. Matthias Horx. Er beschreibt im White Paper "Die Wirtschaft nach Corona - Wochen der Weichenstellung" (Download-Link) auf S. 8, dass gerade jetzt die unternehmerischen Kräfte in der Gesellschaft gefordert sind: IDENTITÄT, KREATIVITÄT, GESCHWINDIGKEIT

Gespräch mit Dr. Wohland

Im ca. 13-minütigen Gespräch mit Gerhard habe ich ihm folgende drei Fragen gestellt:

1) VERSTEHEN: Die Corona-Krise dauert nun schon einige Monate an. Aus wirtschaftlicher Sicht wird die Dimension des Einbruchs immer klarer. Kannst Du uns nochmal kurz erläutern, wie man „Krise“ systemtheoretisch verstehen kann und was wir in den letzten Monaten beobachten konnten?

2) DENKEN: Welche Denkfehler wurden bzw. werden aktuell in Wirtschaft, Politik, Gesundheit oder anderen Teilsystemen der Gesellschaft gemacht?

3) HANDELN: Kann man den Unternehmer/innen und Führungskräften in der Wirtschaft nun überhaupt Handlungsempfehlungen geben? Wenn ja, welche?

Unternehmertum. Jetzt.

Themen und Aspekte des Gesprächs mit Gerhard waren:

  • gewohnte Selbstverständlichkeiten stehen nicht mehr zur Verfügung >> Woher bekomme ich die Argumente für meine tagtäglichen Entscheidungen her?
  • Unterscheidung: Argument (blau) <> Gefühl (rot)
  • es gibt noch keine nachweisbaren und belastbaren Argumente >> die Wissenschaft ist noch nicht so weit >> Wissenschaft wird teilweise nicht mehr ernst genommen
  • wir sind überfordert, die Situation mit schlüssigen Argumenten zu erklären >> Menschen verlassen sich auf ihre Gefühle
  • Menschen, die gegen den aktuellen Weg der Politik protestieren, vereint eines >> ihre Gefühle >> diese Gefühle sind - bezogen auf die Problemlösung - häufig nicht viel wert
  • Menschen, die darauf trainiert sind, in krisenhaften und unsicheren Situationen Entscheidungen zu treffen (Gerhard bezeichnet sie stellvertretend als "Unternehmer/innen"), können nun mit der höchsten Wahrscheinlichkeit problemlösende Gefühle (= professionelle Intuition)
  • Unternehmer/innen (und unternehmerische Kräfte in der Gesellschaft) tragen nun eine besondere Verantwortung
  • Menschen unterscheiden sich in der Qualität ihrer Gefühle >> diese Menschen sind in der Lage, die Polarität Argument <> Gefühl konstruktiv zu nutzen und einzusetzen
  • Denkempfehlung >> Unternehmer/innen können ihre Verantwortung nun nicht delegieren >> Unternehmertum. Jetzt.

Ich freue mich auf eine rege Diskussion zum Thema.

Dezember 31, 2018No Comments

Sei nicht so ängstlich!

Je länger ich mich mit Transformation und Wandel beschäftige, umso präsenter ist das Thema ANGST geworden. Angst scheint unsere Gesellschaft und Wirtschaft immer mehr zu durchdringen. Die weltweite politische Stimmungslage ist nur ein Indikator hierfür.

Auch in Wirtschaftsunternehmen scheinen Zukunftsängste unser Denken und Handeln immer mehr zu beeinträchtigen. Einige Beispiele:

  • Wir laufen blind jedem Trend nach, nehmen an Konferenzen Teil, leisten uns teure Berater/innen, und führen einen Innovationsworkshop nach dem anderen durch. Aber wir bringen immer weniger PS auf den Boden.
  • Wir lästern über die Amazons, Teslas, Apples, Googles und Facebooks dieser Welt, ohne differenziert zu hinterfragen, was wir von ihnen lernen könnten?
  • Wer die Position des Bewahrens in Unternehmen einnimmt, ist viel sicherer als jene, die für Veränderung, Innovation und Wandel einstehen.
  • Wir trauen uns nicht (mehr), selbständig zu denken und mutig zu handeln. Mehr noch: Wir stecken uns gegenseitig mit unserer Ängstlichkeit und unserer Skepsis an.

Ich gebe zu: Das nervt mich. Die Angsthasen seinen in vielen Bereichen die Macht übernommen zu haben. Das darf nicht sein. Wir müssen kämpfen.

Jede/r kann und muss einen Unterschied machen.

Es gibt nur eine wirkungsvolle Strategie im Umgang mit Angst. Wir müssen bei uns selbst beginnen.

  • Was macht mir Angst?
  • Woher kommen meine Ängste und Unsicherheiten?
  • Lasse ich meine spontanen Gefühle einfach zu? Oder bin ich in der Lage, sie mental zu kontrollieren?
  • Woher kommt meine Stärke, mein Mut, meine Selbstsicherheit?
  • Bin ich bereit, für das einzustehen, was mir wichtig ist?

Wir brauchen mehr Menschen, die a) sich selbst gut kennen, b) die sich ihrer selbst bewusst sind und dadurch c) selbstsicher und mutig handeln.

Frei nach Sartre: „Die Existenz geht der Essenz voraus.“

Stefan Hagen

August 4, 20182 Comments

Die Zukunft gehört den Machern. Speed durch agile Organisation.

Neulich hat ein Senior Manager eines renommierten und gleichzeitig sehr innovativen Schweizer Unternehmens im Rahmen eines Vortrages einen bemerkenswerten Satz gesagt: "Speed is the new currency." Wenn es sich um einen Vortrag eines hippen Berliner Startups gehandelt hätte, wäre mir der Ausspruch eventuell gar nicht aufgefallen. In diesem spezifischen Kontext fand ich ihn aber sehr markant und auch authentisch. Warum?

Weniger reden, mehr machen.

Aktuell wird viel über das Neue gequatscht: Digitale Transformation, Agilität, New Work, disruptive Technologien, bla, bla, bla... Klar sind das wichtige Zukunftsthemen, aber wir müssen die Worthülsen mit Wissen, Substanz, Fakten und vor allem eigenen Erfahrungen füllen.
In besagtem Schweizer Unternehmen war die neue Innovationskultur vor Ort sichtbar, spürbar und auch belegbar. Denn hier werden satte 5% des Umsatzes (!) in Innovationsvorhaben gesteckt. Wenn zu wenig Projekte da sind, wird aber nicht das Budget gekürzt, es werden weitere Investments, Kooperationen und Innovationsideen gesucht.
Das ist gelebte Innovationskultur - heute und auch morgen: Machen, investieren, entscheiden, evaluieren, lernen.

Weniger planen, mehr machen.

Zugegebenermaßen muss ich diesen Gedanken erläutern. Klar ist: In relativ stabilen Situationen, in denen Probleme mit Wissen gelöst werden können, ist Planung weiterhin wichtig und notwendig. Es wäre reine Ressourcenverschwendung, hier nicht zu planen.
In zunehmend dynamischen, komplexen Situationen hingegen verlieren wir durch den Versuch detaillierter Planungen, Risikobewertungen und Spezifikationen nur wertvolle Zeit. Wir kommen viel schneller und effektiver voran, wenn wir anfangen, lernen und Zwischenergebnisse produzieren, die wir am Markt testen können.
Das ist gelebte, reflektierte Agilität. Die wird in Zukunft notwendig sein, jenseits von Worthülsen und Theaterspiel.

Schutzräume für radikale Innovation

Das Neue entwickelt sich nur schwer, wenn es unter permanentem Einfluss und unter Beobachtung des Alten steht. Radikale Innovation (z.B. digitale Produkte, Services, Geschäftsmodelle) braucht zeitliche, finanzielle und räumliche Schutzräume. Teams müssen sich mit den komplexen Marktproblemen, die Grundlage für echte Innovation sind, möglichst frei, kreativ und trotzdem ergebnisorientiert auseinander setzen können. So kann moderne InnovationsARBEIT ein Vielfaches an Wirkung entfalten.
Denn eines ist klar: Innovationen müssen in Zukunft schneller am Markt getestet werden, sie müssen am Markt reifen und mit Kunden und Partnern co-kreativ entwickelt werden. Diejenigen, die schneller lernen, werden vorne dabei sein. Die Langsamen werden sterben.

SPEED durch agile (IT) Organisation.

Einen der besten Podcasts, die ich bislang zu diesem Thema gehört habe, ist dieses Gespräch zwischen Spryker-CEO Boris Lokschin und Joel Kaczmarek (digital kompakt). Da steckt so ziemlich alles drinnen, was etablierte Unternehmen lernen müssen.
Das wird für viele etablierte Führungskräfte leider hart. Aber was soll man machen? Dem Markt ist das egal. 😉

Ist Ihr Unternehmen schnell, lebendig und agil genug, um am Markt bestehen zu können?

Stefan Hagen

 
 

Juli 7, 20182 Comments

Kulturwandel ist wie Fahrradfahren

Kann man Fahrradfahren vom Reden und Zuschauen lernen? Nein, natürlich nicht. Man lernt es, indem man auf das Fahrrad sitzt, probiert, umfällt, Gefühl für die Bewegung entwickelt, es schlussendlich kann und in den Genuss kommt, sich viel schneller und effektiver als zu Fuß fortbewegen zu können.
Genauso verhält es sich beim Kulturwandel. Wenn Sie der Ansicht sind, dass Ihr Unternehmen eine neue Kultur der Führung und Zusammenarbeit braucht, hilft nur eines: Anfangen, Machen, Lernen, besser werden, erfolgreich sein.

Kultur verstehen

© Culture Institute 2018

Unser Kollege und Kooperationspartner Dr. Simon Sagmeister hat eines der besten und erfolgreichsten Bücher zu Kulturentwicklung geschrieben, das derzeit am Markt verfügbar ist. Er beschreibt darin Unternehmenskultur anhand der Culture Map - basierend auf dem Wertemodell von Clare W. Graves (und später Spiral Dynamics nach Beck/Cowan).
Kultur kann man immer nur indirekt beeinflussen - durch neues TUN. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen und vor allem auch die Menschen der Organisation auf dem Lernprozess mitzunehmen, ist es wichtig, Kultur "denk- und besprechbar" zu machen. Genau hierfür ist die Culture Map hervorragend geeignet (Details siehe diese Buchrezension).

Neue Kultur lernen

Kultur ist kein Selbstzweck. Sagmeister dazu: "Kultur ist Herz, Verstand und Seele einer Organisation." Die Kultur bildet das ab, was eine Organisation in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat. In diesem Zusammenhang sollten sich Unternehmen vor allem folgende Fragen stellen:

  • Wie entwickelt sich unser Marktumfeld?
  • Welche aktuellen und künftigen Herausforderungen müssen wir als Unternehmen meistern, um erfolgreich zu sein?
  • Welche Fähigkeiten und welches Mindset brauchen wir dazu?

Es liegt auf der Hand, dass im Zeitalter digitaler Transformation Unternehmen viel rascher und effektiver auf Marktveränderungen reagieren müssen. Oder besser noch: Sie agieren rechtzeitig mit guten Ideen, Innovation und neuen Geschäftsmodellen, um gar nicht erst unter Druck zu geraten, den Anschluss zu verpassen.
Im Zusammenhang mit diesem Blogbeitrag zu Digital Leadership habe ich vor einiger Zeit das Modell der logischen Ebenen verwendet. Dieses Modell eignet sich gut, um zu zeigen, dass echte Lernprozesse (individuell oder kulturell) in der Tiefenstruktur von Menschen oder Organisationen stattfinden müssen.
Folgendes Paradoxon muss dabei überwunden werden:

  • Lernen braucht Erfolg. Denn nur daran erkennen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Erfolg motiviert, dran zu bleiben und das (Kultur)Muster dauerhaft zu praktizieren und somit zur Selbstverständlichkeit zu machen.
  • Erfolg braucht Lernen. Um neue oder größere Erfolge zu erzielen, müssen wir neues lernen. Es ist kurzfristig immer leichter, im alten Verhaltensmuster zu bleiben. Mehr noch: Das alte Verhaltensmuster kann kurzfristig sogar zu mehr Erfolg führen als das neue.
  • Lernen braucht Offenheit, Anstrengung und Wiederholung. Der "Organisationsmuskel" wird nur stärker, wenn man sich anstrengt und dran bleibt. Ohne Fleiß kein Preis.

Fazit

Kulturwandel ist wie Fahrradfahren. Es kommt aufs MACHEN und LERNEN an. Sind Sie bereit zu lernen?
Stefan Hagen